The Second Life Baustoffbörse – Hochschule und Handwerk gemeinsam gegen Ressourcenverbrauch
Jährlich fallen in Deutschland circa 250 Mio. Tonnen Bauschutt an. Vieles davon ließe sich wiederverwerten. Dass das geht, zeigt ein Projekt der Hochschule Coburg mit der RAAB Baugesellschaft. Es gibt aber auch rechtliche Hürden, für die Lösungen gefunden werden mussten.
Zwei erst 15 Jahre alte Supermärkte in Rödental bei Coburg standen seit mehreren Jahren leer, weil die Betreiber in größere Gebäude umgezogen sind. Um im Zuge der Nachverdichtung nun barrierefreien Wohnraum für Senioren schaffen zu können, sollten die Supermarktgebäude abgerissen werden. Bei einem konventionellen Abbruch können zwar Teile der Baustoffe recycelt werden, jedoch nicht alles. „Das allein reicht in Zeiten von Ressourcenknappheit und Klimakrisen nicht mehr aus“, findet Gisela Raab, Geschäftsführerin der RAAB Baugesellschaft, die sich um den Rückbau kümmert. So entstand die Idee, die Bauteile der Supermärkte durch eine „Baustoffbörse“ für Bürgerinnen und Bürger zugänglich zu machen. Eine was? Richtig gehört: Eine Baustoffbörse. Anstelle von Kleidung werden hier eben Baustoffe und -materialien angeboten. Und das im Second-Hand-Stil.
Gemeinsam mit CREAPOLIS, Professoren und Studierenden der Hochschule Coburg startete RAAB Bau das Experiment:
Zusammen wollen wir zeigen, was möglich ist und vielleicht sogar auch andere dazu motivieren, um in Zukunft noch mehr Projekte dieser Art zu ermöglichen.
Innentüren, Vordächer, Durchlauferhitzer, Deckenleuchten, Waschbecken, Wandverkleidungen, Heizkörper, eine Miniküche oder auch Verteilerschränke, Stahlregale und vieles, vieles mehr sollten durch das Experiment wiederverwendet werden.
Professor Rainer Hirth von der Hochschule Coburg entschied sich ein Wahlfach für Studierende anzubieten – mit der Unterstützung von Frau Raab und CREAPOLIS. Stück für Stück hangelten wir uns durch die großen Fragen, die dieses Praxisprojekt mit sich bringt:
Wie präsentieren wir das Experiment der Öffentlichkeit?
Wie können wir die Baustoffe vermarkten?
Wir versuchten alle Kanäle zu bespielen: Wir luden Journalisten ein, die auf die Baustoffbörse aufmerksam machten und O-Töne für Tageszeitung und Radio einsammelten. Ein Projektteam entwarf Grafiken für die sozialen Medien und auf der CREAPOLIS-Website erstellten wir eine Seite mit allen Infos zum Ablauf und Reservierung der Bauteile.
Parallel zum Marketing hatte das Projektteam vor allem mit organisatorischen Fragen alle Hände voll zu tun. Unsere Mitarbeiter und Studierende erfassten fotografisch jeden einzelnen Baustoff. Die Liste war lang. Sie umfasste knapp 100 Positionen, 17 Seiten bestehend aus 1.600 m² Betonsteinpflaster, über ein Duzend Plattenheizkörper, mehrere Handwaschbecken, fast 2.000 m² abgehängte Decken-Bauteile – um nur ein paar Positionen zu nennen. Die Liste kam auf die Website, wo Interessierte die Baustoffe reservieren und anschließend abbauen konnten. Das Projekt kam ins Rollen: Reservierungen wurden durch unsere Mitarbeiter entgegengenommen, Termine vergeben, Haftungsausschlüsse unterschrieben.
70% der Baustoffe fanden tatsächlich in kürzester Zeit Abnehmer und ein zweites Leben – ihr „Second Life“. Immer dabei: die Doku-Gruppe des Projektteams, die das Experiment filmte und dokumentierte. Immerhin wollen wir davon lernen, unsere Erkenntnisse teilen und ein Zeichen setzen, neue Wege nicht nur zu denken, sondern vor allem auch zu gehen. Für Nachhaltigkeit und Ressourceneinsparung.
Und was passierte mit den restlichen Baustoffen? Die wurden von einem Abbruchunternehmen weitgehend recycelt und als Unterbau für die neuen Gebäude und Straßenflächen am Grundstück verwendet. Sie erfuhren also auch ein „Second Life“.
„Zusammen wollen wir zeigen, was möglich ist und vielleicht sogar einen Stein ins Rollen bringen, um in Zukunft noch mehr Projekte dieser Art zu ermöglichen. Die Wiederverwendung von Bauteilen leistet einen wichtigen Beitrag, umweltfreundlicher und CO2-einsparend zu bauen“, erklären Gisela Raab und Professor Rainer Hirth. Beide sind sich einig: Das Experiment ist gelungen! Kurz darauf meldete sich auch schon ein Unternehmen, welches nach dem Beispiel der Baustoffbörse, ebenso gebrauchten Baumaterialien ein zweites Leben schenken möchte.
Bäume gestalten Lebensräume. Durch eine professionelle Großbaumverpflanzung konnten wir auch den fünf Bäumen auf dem Grundstück in Rödental ein zweites Leben an einem neuen Ort schenken. Die Bäume sind zu diesem Zeitpunkt bereits 20 Jahre alt gewesen und prächtig gewachsen. Als Bauunternehmen verfügen wir über unterschiedlichste Bagger, Kräne, Radlader und viele weitere Maschinen, welche unsere Mitarbeiter bestens beherrschen. Für die Baumverpflanzung hat sich die RAAB Baugesellschaft dennoch dafür entschieden, Experten auf diesem Gebiet zu beauftragen. So wurden die Bäume unbeschadet versetzt und können weiter wachsen.
The Second Life Baustoffbörse – Hochschule und Handwerk gemeinsam gegen Ressourcenverbrauch
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